
Wer braucht Gott?
Gott – Nein, danke.
Nein, danke. Ich denke,
Gott wär‘ schon ein netter Gedanke,
aber nur so am Rande:
Ich komm schon klar.
Und weil’s bis jetzt so war
geht’s offenbar auch ohne, nicht wahr?
Nicht… wahr? Ist es wahr oder nicht?
Ist es nicht Jesus selbst, der spricht:
Starke bedürfen des Arztes nicht,
sondern Kranke?
Hieße das nicht, ich wäre… Nein.
Nein, danke.
Ja, bitte, wer braucht eigentlich Gott?
Du? Oder ich?
Die Frage find ich ziemlich wichtig,
aber sie klingt für mich zunächst richtig
absurd.
Als wenn er was wär‘,
über das wir verfügen.
Das wir besitzen können und kriegen
und nach Belieben
wie ein Accessoire tragen –
oder wir lassen’s liegen.
Wie eine Klammer, die wir verbiegen,
um sie dort einzufügen,
wo sie unsre Welt
im Fall des Falls zusammenhält.
Dessen Dienste wir gern abonnieren,
und (wenn wir davon profitieren)
konsumieren.
Oder die Frage klingt wie:
„Guten Tag, brauchen Sie Gott?“
Als wär‘ er ein Vertreter,
dem wir sagen: Heut ist schlecht,
vielleicht mal später.
Aber wenn ich’s so sehe und verstehe,
verdrehe ich dann nicht die Rollen?
Denn wenn wir entscheiden sollen,
welche Rollen wir Gott spielen lassen wollen,
dann sind wir Regisseure.
Und er nur
die Figur,
die er abgibt,
wenn wir ihn nach unserm Skript
in Szene setzen.
Vielleicht schätzen wir ihn in der Rolle „Reservist“,
falls ein Schicksalsschlag zu heftig ist,
und schätzen das 112-Gebet,
falls unsre Welt in Flammen steht.
Und wieder steht
die Frage vor mir: Wer braucht Gott?
Aber jetzt klingt sie für mich so –
ungewöhnlich persönlich.
Und ich meine wirklich mich.
Denn wer bin ich,
hier für dich zu sprechen?
Ich bin ja nicht mehr als andere,
möchte nicht der sein,
der über andere
große Reden hält
und anderen sonst was unterstellt – lieber nicht.
Meine Sicht
ist sicherlich begrenzt und reicht nur bis zu deinem Gesicht,
weil’s für mich sichtbar ist.
Aber sicher ist:
was dahinter ist,
seh‘ ich sicher nicht.
Was du denkst, weiß ich nicht.
Was du über Gott denkst, weiß ich nicht.
Ich bin nur ein Mensch.
Aber genau das ist mein Punkt.
Ich sehe, wo meine menschlichen Grenzen liegen,
aber möchte irgendwie über den unsichtbaren Gott verfügen?
Ist er nicht der,
der Welten ins Dasein ruft,
der unsre Wirklichkeit erschuf,
dessen Atem für unser Leben unabdingbar ist,
dessen Allmacht für unser Wesen unbezwingbar ist,
der die Weiten des Weltalls mit den Fingern misst,
hat er nicht so viel mehr
Weisheit, als in den Abgründen unsrer Großhirnrinden
zu finden ist?
Ist er nicht mehr,
als jemals zu ergründen ist?
Ist er nicht vollkommen, Vollendung, voll Liebe und prächtig,
allgegenwärtig, allwissend, allliebend, allmächtig?
Ist unser Planet,
der sich lautlos dreht,
nicht ein Zeuge seiner Majestät?
Und zeugt nicht jeder, der darauf lebt
von Gottes Kreativität?
Und strebt
nicht alles zu ihm hin
und findet in ihm tiefen Sinn?
Und bin
ich nicht beschenkt
mit dem Wissen, dass er,
der Galaxien lenkt,
an mich Staubpartikel denkt?
Und schenkt
er mir nicht alles, mit dem Zuspruch, den er gibt
in Jeremia 31,3: Ich ziehe dich zu mir,
denn ich hab dich je und je geliebt.
Und ist nicht unser Leben
die Zeit, bevor wir ihm begegnen?
Wer braucht Gott?
Was für eine Frage,
angesichts deines Angesichts.
Ich brauche dich.
Und hab ich dich – dann brauch ich nichts.
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