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Maria

 

 

Wie – wie soll ich es vergleichen?
Es war wie nichts zuvor.
Soweit meine Erinnerungen reichen,
soweit meine Gedanken
in die Vergangenheit schweifen –
es gibt nichts, womit ich es vergleichen
könnte,
sodass alle meine Worte beim Versuch
es zu fassen
ins Leere fassen
und alle Vergleiche verblassen.

Wie soll ich es mit den Worten greifen,
was selbst mein Verstand nicht verstand
und kann es auch jetzt nicht begreifen.


Es ging alles so schnell, es
war plötzlich hell, es
war wie wenn in der Nacht ein grelles
Licht einen weckt
und man erschreckt sich
und deckt sich
mit den Händen die Augen
und kann kaum glauben,
dass alles, was man gerade träumte
nur ein Traum war.
Und man nimmt das Neue kaum wahr,
bis man realisiert,
dass das Licht real existiert
und der Traum verschwinden wird.


Wie so ein plötzliches Erwachen,
so fühlte es sich an,
als plötzlich ein Engel zu mir kam.
Und zuerst nahm ich an,
ich würde träumen, es wäre eine Illusion.
Doch schon der Ton seiner Stimme
und die Worte, die er sprach
ließen mir keinen Zweifel – ich war wach
und würde nach
dieser Begegnung nicht mehr dieselbe sein.


Nein, wie ein
wacher Gedanke in einen
Traum, so drang mit dem Schein
des Engels ein
göttliches Licht in mein
Leben ein.


Und mir war klar,
dass der, den ich sah,
so real war, wie der Raum, in dem ich war.
Er war so viel klarer, so viel wahrer
und auf einmal er-
schien er mir so viel realer.
Doch es war nicht das Licht,
es war nicht sein Gesicht,
es war nicht dieses Lichtwesen.
Er selbst ist’s nicht gewesen –
es war seine Botschaft, ihr tiefer Sinn.
Und es ist wahr, dass ich jetzt nicht mehr bin
die ich war.


Wie könnte ich auch –
Bald wächst ein Wunder in meinem Bauch.
Ein Baby wird in mir reifen,
zwei Händchen lernen zu greifen,
zwei Füße strampeln und streifen
meinen Körper.


Aber das Wunder ist noch so viel höher,
noch größer, noch schöner,
dass ich’s kaum wage
es zu sagen.
Und meine Lippen beben,
wenn sie davon reden.


Ich werde Gottes Sohn in mir tragen.
Ich werde bald dem
Herrn des Lebens Leben geben.
Eben dem, der jedem
Lebewesen Leben
und Atem gegeben
hat.


Was für ein Tausch findet hier statt?
Mein Körper bringt den zur Welt,
dessen Wort die Sterne trägt und hält.
Gott, bin ich nicht viel zu klein,
um die Mutter meines Herrn zu sein?

​

Und bei allem Grübeln fällt mir rein
gar nichts ein,
das mich verstehen lässt,
warum deine Wahl auf mich gefallen ist.


Ich bin es nicht wert. Aber ich diene gern
mit dem, was ich bin, meinem Sohn und Herrn.
Ich bin deine Magd, ich gehöre dir.
Was immer du willst, das geschehe mit mir.
Ich will ihn gebären, ich will ihn stillen,
lass Prophetien sich an mir erfüllen.
Das wird die Liebe meines Herrn
enthüllen.
Und unter diese Liebe beug‘ ich gern
meinen Willen.

 

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