top of page

Aufregung im Zoo

 

 

Die Sonne geht unter, es ist halb acht.
Der Zoo wird grade zugemacht.
Die letzten Menschen schlendern hinaus
sehn freudigerweise  freudig aus.
Es ist nämlich wunderschön,
was Besucher hier im Tierpark sehn:
Tiere aus allen Kontinenten,
Zebras, Gnus und Tigerenten,
Affen kann man dort entdecken,
Löwen, Schlangen, viele Zecken,
Wölfe aus dem Himalaya,
Eisbär Lars und Biene Maja,
Wale, Fische von überall her,
tausend Arten, vielleicht auch mehr,
konnten die Leute heute seh’n.
 
„Jetzt müsst ihr aber wirklich gehn!“,
ruft der Wärter paar Kindern zu.
„Es ist schon spät und ich schließ im Nu
vor eurer Nase das Haupttor zu!“
Die Kinder spazieren in aller Ruh
mit Zuckerwatte in Mund und Hand
aus dem Zoo. Und zum Wärter gewandt
winken sie zum Abschiedsgruß
und setzen ihren Marsch zu Fuß
nach Hause weiter fort.

 

Nur der Wärter, der bleibt dort.

„Für mich ist der Tag noch nicht zu Ende!“,
ruft er munter und spuckt in die Hände.
„Ich als Wärter darf nicht vergessen:
Jedes Tier braucht sein Abendessen!“

Die Brust nach vorn, mit aufrechtem Gang
schreitet er den Weg entlang
zum Vorratslager dieses Zoos.
Die Stimmung ist gut, der Eifer groß,
so tritt er in die Halle ein.
Lang überlegen muss nicht sein:
Die Arbeit ist für ihn Routine.
So läuft er schnurstracks zur Vitrine
mit den Früchten für die Affen.
Denn als erstes muss man’s schaffen,
den Affenmagen satt zu kriegen –
dann sind sie friedlich und sie liegen
zufrieden im Bettchen und sind leise.
Auf diese schlaue Art und Weise
hat man Ruhe, die andern zu versorgen.
Und sind die satt, ist’s bis zum Morgen
still im Zoo. Das weiß der Wärter.
Also nimmt er `ne Kiste und dann leer er
die Vitrine aus. Von oben begonnen
werden die Bananen genommen
und in die hölzerne Kiste gedrückt.


„Mensch, ich werd‘ noch ganz verrückt!“,
meint der Mann mit feuchtem Mund.
„Bananen sind lecker und sooo gesund!
Aber – was bin ich hier am überlegen?
Die Affen haben sicher nichts dagegen,
wenn ich mich an ihrem Fraß bediene!“
Schon gleitet die Hand in die Vitrine
und kommt zurück mit der gelben Frucht,
die den Weg in die Fraßluke sucht.
Plopp! Da steckt sie zwischen den Zähnen.
„Jetscht kann isch die Kischte nehmen!“
Mit der Banane zwischen den Lippen
hievt er die Kiste hoch zu den Rippen.
Mit dem Fuß, so doll er kann,
tritt der fleißige Wärter dann
an die Tür. Sie öffnet sich.


„Oh, die Abendsonne blendet mich!“
Er blinzelt heftig und schaut weg.
Dann blinzelt er nochmal. „Ach du Schreck!“
Die Augen reißt er und den Mund weit auf!
Da geht die Banane drauf.
Sie plumpst aus dem Mund auf die staubigen Steine.
„Also, also, sowas! Ich… ich meine…
sowas hab ich ja noch nie gesehen!“
Verwirrt lässt er die Kiste stehen.


„Sowas!“, murmelt er wieder, kratzt sich am Kinn
und läuft zum Pinguinengehege hin.
Schon ist er am Geländer angekommen
und starrt hinein, total benommen.


Er sieht die Pinguine marschieren
in Reih und Glied – und protestieren!
Auf Schildern, in großen Worten
steht geschrieben: „Wir wollen Torten!“
„Weg mit dem Fisch!“ „Wir hassen unser Fressen!“
„Was Menschen verschlingen, wollen wir essen!“

 

Der Wärter zeigt sich ganz empört:
„Habe ich da recht gehört?
Ihr verschmäht den Lachs, den guten Fisch?“
„Wir wollen was andres auf den Tisch!“,
schrein die Pinguine frech zurück.
„Du bist ein Mensch. Du hast Glück!
Als Mensch isst man, was man mag.
Wir Tiere kriegen Tag für Tag
denselben Fraß nur vorgesetzt.
Du ahnst nicht, wie das uns verletzt!“

 

Der Wärter ruft: „Das ist die Höhe!
Ich sag euch mal, wie ich das sehe:
Für euch ist Fisch die beste Speise.
Drum seid zufrieden – und seid leise.
Die Torten, Lutscher, Pizzabaguette,
auch Pommes und Würste machen euch fett!
Was Menschen so essen – da kann ich sagen:
Das ist nicht gut für euern Magen.
Aus dem Grund, weshalb ihr mich belästigt,
hab ich doch das Schild befestigt:
‚Das Füttern der Tiere ist untersagt!‘“
„Das ist doch, was und quält und plagt!“,
rufen darauf die Pinguine
und verziehen ihre Mine.
„Lass sie uns füttern! Entfern das Schild –
und schon hast du unsern Wunsch erfüllt!“

 

Bevor er etwas sagen kann,
hört der Wärter von nebenan
ein lautes Klatschen, Jubeln, Lachen.
Der Wärter denkt sich: „Was für Sachen
gehen heut im Zoo nur vor?
Das klingt jetzt nach dem Affenchor.
Ich muss dort nach dem Rechten sehen!“
Er nimmt die Kiste und will gehen.
Den Pinguinen ruft er zu:
„Wir sprechen uns noch! Und jetzt gebt Ruh!“


Ab zu den Affen. Die Kiste kommt mit.
Er erreicht das Gehege in schnellem Schritt.
„Warum sind die Affen nur so froh?“,
denkt der Mann, doch als er so
am Käfig entlang blickt, begreift er den Grund.
„Mir wird es heute echt zu bunt!“,
schimpft der Wärter ganz empört.
„Das ist ja wirklich unerhört!
Wer von euch – und wehe ihr lügt –
hat ein ‚nicht‘ hinzugefügt
auf dem ‚Füttern verboten‘ – Schild?
Was haben die Besucher für ein Bild
von unserm Zoo, wenn sie das sehen?
‚Füttern nicht verboten‘ habt ihr da stehen!“
Da lachen die Affen wieder los.
„Das ist doch super! Stell dir bloß
mal vor, was wir bekommen,
wenn einem Kind – mal angenommen –
die Pommes nicht mehr schmecken.
Es wird dieses Schild entdecken,
und uns dann seine Pommes geben.
Wir wollen nicht nur von Bananen leben!
Was Menschen essen, ist viel besser!
Verspeisen Menüs mit Gabel und Messer
und ist ihr Magen dann noch leer,
gönnen sie sich ein Dessert,
Pudding mit `nem Häubchen Sahne…
Und wir Schimpansen und Paviane?
Was kriegen wir? Ist dir das bewusst?
Nur Bananen! Mensch, du musst
dich mal in uns hineinversetzen!
Wärterchen, wir wollen dich nicht verletzen,
aber wollen auch, was Menschen genießen!
Wirst du erst weich, wenn Tränen fließen?“

 

Der Zoowärter steht und überlegt.
Doch das Gespräch mit den Affen bewegt
eine ganze Menge bei den Tieren.
Weil Affen mit 100 Dezibel Gespräche führen,
bekommen alle alles mit.
Von Eugen Eule bis zu Faultier Sid –
alle wissen nun bescheid,
dass vielleicht in nächster Zeit
besseres Futter zu fressen sei:
Was Menschen halt futtern an allerlei
süßen und nicht-süßen Gerichten.
Es müsste der Wärter sich nur noch verpflichten,
jene Schilder abzumontieren,
welche verbieten, den zooheimischen Tieren
Burger und HotDogs hinzuschmeißen.
Dann gäb’s für sie was Gescheites zu beißen.
Der zweite Grund, warum sie sich freuten
auf die kommenden, besseren Zeiten:
Dann müssten sie Menschen nicht mehr beneiden,
dass diese genießen und sie selber leiden
an einseitiger Ernährungsweise,
an dieser faden, öden Speise.

 

Die Tiere nutzen die Gunst der Stunde:
So brüllen die Löwen, bellen die Hunde,
es zischt die Kobra, es blubbert der Lachs,
die Zebras, sie wiehern, es meckert der Dachs,
es jault auch der Fennek, verschluckt sich das Gnu,
in den eignen Beutel hüpft das Känguru,
es faucht der Tiger, es zirpt der Reiher
und unheimlich grässlich singt der Geier,
es blöken die Schafe, es kreischen die Affen
und jetzt schreien selbst stumme Giraffen.
Nur nicht die Pinguine. Die sind leise.
Sie protestieren auf ihre Weise:
Mit Transparenten und eisernen Sinnen
woll’n sie den Wärter für sich gewinnen.

 

Den Tieren wurde der Wunsch erfüllt:
Der Wärter hat jedes Verboten-Schild
an jedem Gehege abmontiert.
Die Tiere hatten protestiert,
bis er nachgegeben hat.
Jetzt werden sie halt davon satt,
was die Menschen übriglassen
an Lebensmitteln, die in Massen
in sämtliche Käfige kommen.
Begeistert wird alles angenommen
und genüsslich wird‘s verzehrt.

 

Nach paar Wochen jedoch hört
man aus dem Affenkäfig lautes klagen:
„Ich hab Probleme mit meinem Magen!“
Ein Äffchen sitzt und krümmt den Bauch.
Doch die andern Affen sehen auch
nicht viel gesünder aus.
Da hört man vom Giraffenhaus
die Giraffe Twiga tönen:
„Ihr braucht gar nicht rumzustöhnen!
Ich werd‘ seit kurzem von Sodbrennen geplagt!
Bei meinem Hals ist’s berechtigt, wenn man klagt!“
Auch die Kobra scheint sehr geknickt:
„Mein Giftzahn hat ein Loch gekriegt!“
Und das Nilpferd ist ständig am motzen:
„Mir ist speiübel! Ich muss gleich…“
„Komisch“, sagt der Pinguin betroffen
„Was wollten – das gesteh ich offen –
war für uns Tiere doch nicht so gut!“

 

Da nehmen die Tiere den ganzen Mut
zusammen und entschuldigen sich beim Wärter.
Tja, nach diesem Geständnis hört er
auch auf, auf sie böse zu sein.
Schnell läuft er in sein Büro hinein
und kommt mit den Schildern wieder zurück.
„Füttern verboten!“, rufen alle „So ein Glück!“

 

Oft wünschen wir uns bestimmte Sachen
und erwarten, dass sie uns glücklich machen.
Selbst von Gott in unserm Gebet
erbitten wir Dinge; und es geht
eine Welt für uns unter, wenn wir realisieren:
Gott hat’s nicht erfüllt. Doch war’s bei den Tieren
nicht äußert schlecht, dass sie bekamen,
was sie sich wünschten? Drum lasst uns im Namen
der Vernunft folgendes verstehn:
Sollten unsre Wünsche nicht in Erfüllung gehn,
brauchen wir nicht zu schimpfen, zu klagen, zu weinen,
weil Gottes Verbote es gut mit uns meinen!

 

 

____________________________________

 

 

Aufregung im Zoo -
00:00 / 00:00
bottom of page