
Auf dem Wasser
Herr, wenn du es bist, dann befiehl mir, auf dem Wasser zu dir zu kommen!
Ich hab’s gesagt. Hab’s wirklich gesagt!
Obwohl in meinem Kopf die Angst vor Gefahren ist.
Obwohl alles voller Gefahren ist.
Kein Plan, was da in mich gefahren ist.
Aber ich höre, wie mein Schrei, der Schall
im harten Krachen der Donner verhallt.
Ich glaub,
ich fühl mich wie Blei im freien Fall.
Auf jeden Fall
fühl ich, als würd ich
von der Spannung zerrissen
wie der Himmel von zuckenden Blitzen.
Und der Regen schlägt mir ins Gesicht.
Ich halt die Wange hin und höre – nichts.
Außer Atem,
außer Kontrolle kralle ich mich fest
an dem, wovon ich glaub, dass es die Reling ist
und finde kaum mein Gleichgewicht.
„Herr, wenn du es bist“ hab ich gesagt.
„Es ist ein Gespenst“ haben sie gesagt,
nein, gebrüllt. Mit angsterfüllten Gesichtern
und haben gezittert wie Verbrecher vor ihrem Richter.
Wir wüssten mehr, hätten wir ein paar Lichter
aber es ist nicht der
kleinste Stern sichtbar,
kein Mund in Sicht, der
Regen wird immer dichter
und die Nacht wütet bitter.
Ich kann einfach nicht mehr,
weil mich der
Schrecken würgt mit kalten Fingern
kann ich kaum um Atem ringen
und wir ahnen immer mehr,
dass wir in Meerwasser und Panik ertrinken.
Keine Ahnung, wie lange wir starrten
auf diese Gestalt, auf diesen Schatten,
der scheinbar auf den schwarzen Wellen schwebte.
„Es ist ein Gespenst“ haben sie gesagt.
„Herr, wenn du es bist“ habe ich gesagt. Wenn du es bist.
„Ich bins!“ hat er gesagt.
Jetzt! Der Schatten hatte mich in Schrecken versetzt,
die Angst hatte mich in einen Kerker gesetzt,
aber jetzt
fegt ein Gedanke wie ein Blitz
durch den Kerker, in dem ich sitz und schlägt ein.
Zerfetzt die letzten Fesseln, die mich fesseln und verletzten
und ich hetze
zum Kerkerfenster, als wenn’s da
keine Stäbe gäbe und jetzt
sind meine Gedanken frei wie durch einen Sprung durch ein Fenster!
Nein, ich sehe keine Gespenster,
auch hier ist kein Gespenst da.
Es ist zwar immer noch finster,
aber die Lage ist plötzlich
sowohl sicher als auch ernster.
Der „Ich bin der ich bin“ – er ist da!
Der Weltenerfinder – er ist da.
Der Wundenverbinder, Verlorenenfinder – er ist da.
Der Anfang, das Ende, Letzter und Erster – er ist da.
Der Bundesbeschließer, Tränenvergießer,
Himmelaufschließer, Herzenberührer,
der Heiligenführer, der Regenregierer,
Dämonenschockierer, der Satanbesieger,
der epische Krieger, der Hoffnungenschürer,
der Zu-sich-hin-Zieher, Personifizierer
der Geistenergie, der
Schicksaleschmieder, Geheimnisenthüller,
Erwartungserfüller, der –
Stürmestiller. Er ist da!
Ja, ich bin sicher, aber die Lage ist ernster.
Zuerst da
dachte ich, ich sehe Gespenster.
Aber ich weiß:
Es ist kein Gespenst da – er ist Geist!
Gottes Geist.
Gott ist Geist.
Das heißt: Ich habe erlebt,
was in den Schriften steht,
dass er,
der Geist
Gottes sich über die Finsternis der Tiefe erhebt
und dass er
auf dem Wasser
schwebt.
Herr, ich höre von dir: „Komm her zu mir!“
Du hast es gesagt! Hast es wirklich gesagt.
Und ich glaub – ich mach’s! Weil es deine Worte waren.
Herr, ich bin mir im Klaren
darüber, dass man
sich dir nicht nahen
kann. Wann
konnte ein Körper auf dem Wasser gehen?
Würde ich meine Füße auf das Nasse pressen,
würde mich sofort das Wasser fressen.
Mein Körper würde nach unten schießen,
das schaurige Schwarz sich über mir schließen
und die schäumende Flut weiter fließen,
als wär ich nie gewesen.
Gott, ich bin mir im Klaren
darüber, dass man sich dir nicht nahen
kann. Wann
konnte ein Sünder zu dir gehen
und aufgerichtet vor dem stehen, der ihn richtet?
Mein Fleisch, meine Sünden wiegen schwer,
eben mehr als das Meer
trägt. Herr,
alles an mir ist zu schwer,
so sehr, dass gibt der haltlose Boden nicht her
und wie sehr ich mich auch wehr‘ –
es wär ein Versinken ohne Wiederkehr.
Auf dem Weg zu dir wird der Sünder sinken
und in endloser Finsternis ertrinken.
Aber du, du hast es mir befohlen.
Und dein Befehl, der wird mich holen,
ich vertraue keinen hohlen
Phrasen, werd‘ mich nicht auf meine Sohlen
verlassen,
wie vom guten Geist verlassen
ins Leere fallen und ins Leere fassen.
Deinen Befehl hab ich bekommen.
Das heißt, du hast mich angenommen.
Das heißt, ich kann auch zu dir kommen.
Das heißt auch, bei dir anzukommen.
Das heißt, wie du auf Wasser schweben.
Das heißt, Verwandlung zu erleben.
Das heißt: nicht mehr im Fleisch, im Geist zu leben.
Ich kann nicht – widerstehen.
Ich will, ich muss dich sehen.
Dein Schatten dort, der reicht mir nicht!
Dich muss ich sehen! Dein Gesicht!
Jesus, ich komme!
Auch wenn ich’s nicht fass‘, Herr.
Ein Mensch kommt zu Gott – über das Wasser!
Dein Befehl, er garantiert, dass er
nicht im Wasser, sondern in deinen Armen landen
wird.
Und dann
ist mein Fuß nicht nasser
als mein Auge,
wenn ich den anschaue, an den ich glaube.
Ich – gehe.
Ich gehe nicht – unter.
Mich trägt null Prozent Wasser.
Und hundert Prozent Wunder.
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